mit einer systematischen Hartnäckigkeit, die auf bestellte Arbeit schließen
ließ, als eine verhängnisvolle, geheimnisvolle, bestechliche Persönlichkeit
geschildert wurde, die sich in die vaterländische Gedankenwelt eingenistet
hatte — dessen Vergangenheit aber in Wirklichkeit sich seit seinen
Schultagen mit Leichtigkeit verfolgen ließ, und der während der letzten
zwanzig Jahre in ungewöhnlichem Maß im Licht der Öffentlichkeit
gestanden hatte. Diese Bemühungen waren völlig fehlgeschlagen, aber
ihr Ziel blieb bestehen.
Immer im Kreise; immer im Kreise, meist im Schneckentempo —denn der Raum genügt nicht für die Zahl — der Vorschrift nach eine
Stunde lang, in Wirklichkeit selten mehr als 45 Minuten. Das nennt sich
Bewegung. An kalten Tagen eine Übung in der Kunst, den Blutumlauf
in blutleeren Körpern zu fördern. Und es ist die einzige Bewegung, die
man während vierundzwanzig Stunden hat, es sei denn, man hätte das
Glück, zur Trägerkompagnie zu gehören. Immer im Kreise, Tag für Tag,
Woche für Woche, Monat für Monat; bei jeder Runde auf Armlänge
an einer Reihe offener Aborte vorbei, einer ekelhaften, ganz zwecklosen
Eigenheit des „Systems". Achtzig bis hundert Mann, teils in dunkel­
braunen, teils in mostrichfarbenen oder in blauen Anzügen, die alle mit
dem breiten Pfeilzeichen bedruckt sind. Dazu Unterkleider, die möglicher­
weise 14 Tage vorher von syphilitischen oder tuberkulösen Patienten
getragen worden waren, fadenscheinige, rissige Hemden, an denen die
Knöpfe fehlten, Unterhosen, die nur bis zum Knie reichten und, da die
Beinkleider zu eng, sich oben zusammenballten. Ein Adonis würde in
solchem Gewände seine Schönheit verlieren, und es sind wahrlich keine
Adonisse, die unsere traurige Besatzung bilden. Besonders im Anfang
sind sie einem ebenso abstoßend, wie man ihnen zweifellos selber er­
scheint. Ich glaube, selbst ein Erzbischof würde in solchem Gewand wie
ein Verbrecher aussehen. Die in Blau Gekleideten sind die wenigst ab­
stoßenden. Es sind Ausländer, meist gebildete Männer, Ausgewiesene.
Ihre Gesichter sind intelligenter als die der Diebe, der Einbrecher, der
Hehler, der Fälscher, der Trunkenbolde und Sittlichkeitsverbrecher, die
den größten Teil dieser Gesellschaft ausmachen. Und meist haben
sie Bärte, was besser aussieht als die achttägigen Stoppeln der andern,
die nur einmal in der Woche mit einem stumpfen Schermesser beseitigt
werden.
Fast alle diese Gesichter sind mit tiefem Trübsinn, mit stumpfer Hoff­
nungslosigkeit gestempelt. Es gibt Ausnahmen: die, deren Strafzeit kurz
ist oder bald abgelaufen sein wird. Diese bewegen sich rascher, sehen
weniger betrübt aus. Aber das Elend der andern sticht nur um so mehr
86