wäre als die der anderen Völker, so wüsste ich nicht, wozu wir in Europa und auf Erden nebeneinander leben, In jedem Zeitalter waren, wie unsere geschichtliche Betrach tung zu zeigen versucht hat,die Aufgaben der Kulturvölker wesentlich dieselben. Das Ziel ist eines, die Wege dazu, je nach der Herkunft, sind tausendfältig gerichtet. Wenn durch Abstammung und Vergangenheit die Nationen verschieden und getrennt und wie der Einzelmensch in dividualisiert sind, so führt ihre Aufgabe sie in der Wir kungzusammen. Das Zusammentreffen nach getrenntem Marsch, wie es die Bestimmung der Völker will,kann frei lich zu sehr gewaltsamen Stauungen und Reibungen füh ren, und es kommt vor, dass sie dem Geiste nach gerade dort und dann sich am nächsten stehen, wo sie im Felde der physischen und politischen Kräfte am wildesten aufein anderprallen . Vielleicht waren die geistigen Aufgaben und seelischen Verfassungen in Deutschland und Frankreich sich nie so ähnlich, nie so identisch, wie im Jahr 1914, und zugleich die politischen Gegensätze niemals so schroff. Es ist das Verhängnis der Nationen, dass sie sich be kämpfen und schlagen müssen um in der Sache, in der Wirkung und im Geist beieinander zu sein; und es ist ein Trost, der freilich nur den einsamen Denker erquickt, dass sie einig in demselben Wesen stehen, wenn sie sich auf den Schlachtfeldern begegnen. Ob das Bewusstsein der Einheit im Zwist und der Brüderlichkeit im Krieg aus den Höhen des geschichtlichen,philosophischen und religiösen Den kens je in die Herzen der Völker herabsteigt J ob es, wenn schon nicht den unerbittlichen Ernst, so doch die un menschliche Gehässigkeit der Kämpfe zu mildern vermag ? Man kann es nicht wissen. Man muss es hoffen. 61