â 74 ⢠â sonderen Gefahren, welche aus dem Dienstverhältnis heraus, aus der persönlichen und wirtschaftlichen Abhängigkeit des Arbeitsgehilfen vom Arbeitgeber drohen. Er verlangt vor allem Unterricht, Erziehung, Aufklärung: âDie Ar- beiter werden durch ihr eigenes Interesse, durch das Streben nach grösserem physischem Wohlsein zur Erlangung der Freiheit geführt; indem aber die Erlangung und Bewahrung der Freiheit an eine bessere Erziehung ihrer Kinder geknüpft ist, sind sie mit dem Streben nach physischem Wohlsein dem weit höheren Zweck «Aufklärung und gei- stige Ausbildung des ganzen Menschengeschlechts» wiederum dienst- bar, oder mit andern Worten: aus jenem Streben nach eigenem Wohl- sein geht, ihnen selbst unbewusst, ein weit höheres Gut hervor." 2) Und an einer anderen Stelle heisst es: âWir haben gesehen, dass die Arbeiter durch das Streben nach physischem Wohlsein zur Frei- heit und zur Beherrschung der Leidenschaft, also zur Erlangung eines grossen Gutes geleitet werden. Aber dennoch ging daraus ein anderes, von ihnen nicht erstrebtes, noch höheres Gut: «Aufklärung des ganzen Menschengeschlechtes» hervor." 3) Was die Berücksichtigung des Eigennutzes anbelangt, so deckt sich hier die Auffassung Thünens so ziemlich mit derjenigen des Utopisten Robert Owen, der in dem 1812 geschriebenen ersten seiner âvier Aufsätze über die Bildung des menschlichen Charakters, als Ein- leitung zu der Entwicklung eines Planes, die Lage der Menschheit all- mählich zu verbessern" unter anderem behauptet: âDieses Prinzip ist die Glückseligkeit des eigenen Selbst, klar verstanden und gleichmässig geübt. Diese kann nur erreicht werden durch ein Verhalten, welches die Glückseligkeit der Allgemeinheit fördern muss."4) Thünen meint, dass ökonomische Erscheinungen, wie z. B. der Zinsfuss, nicht das Werk des Zufalls oder des blinden Waltens dar- stellen. sondern entsprungen seien aus dem Zusammenwirken von Menschen, die sämtlich von einem verständigen Eigennutz geleitet, ge- meinschaftlich â wie die Bienen am Bau einer Zelle â an einem grossen Werk arbeiten. 5) âSo ist also," sagt Thünen an einer anderen Stelle, âdas Interesse des Einzelnen an das des Ganzen geknüpft. Der einzelne Staat leidet mit, wenn andere unrichtig handeln, und somit liegt es in seinem eigenen Interesse, sie zur richtigen Einsicht und zum Ilechthandeln zu führen. Und umgekehrt, was dem Ganzen wahrhaft frommt, das frommt auch dem Einzelnen. Die Menschheit erscheint hier als ein grosses 1) Ich halte mich hier an die bekannte, von Wissenschaft und Praxis akzeptierte Definition von A. E. F. Schaffte, in der âZeitschrift für die gesamte Staatswissenschaft", 1890, S. 610. 2) HI, S. 7â8. 3) III, S. 14. 4) Robert Owen, Eine neue Auffassung von der Gesellschaft. Nach der dritten, im Jahre 1817 in London erschienenen Ausgabe übersetzt und erklärt von Oswald Collmann. Leipzig 1900, S. 12. 5) Vgl. II, S. 76-77.