6 Erstes Kapitel: Das römische Gut. •6 den von den Karolingern hineingebrachten Feudal- verhältnissen die Entstehung aller Eigentümlichkeiten des mittelalterlichen Grundbesitzes in ihrer Heimat zuzuschreiben. Die Thatsache, dass, vom nördlichen Gallien abgesehen, die Germanen in den romanischen Ländern nicht so sehr in der Eigenschaft von Eroberern, die eine gewaltsame Enteignung der Besiegten zu be- wirken strebten, aufgetreten, sondern vielmehr als An- siedler, hospites, für welche nur eine Ausscheidung eines Teiles der Ländereien und Besitzungen der vor- handenen Privateigentümer erfolgt ist, musste es offen- bar bewirken, dass das römische Gutssystem erhalten blieb; zugleich aber musste es diejenigen Veränderungen erleiden, die eine mehr oder minder erzwungene Teilung und die Anpassung eines noch halb im Hirtenleben steckenden, in blutsverwandtschaftlichen und Nachbar- verbänden dahinlebenden Volkes an die neuen land- wirtschaftlichen Verhältnisse hervorzurufen geeignet waren. Hier ist es darum leichter als in Deutschland selbst oder in den von den Angelsachsen und Franzosen besetzten Gebieten im 6. und 7. Jahrhundert frische Spuren der Grundbesitzverhältnisse aufzufinden, die im Reiche während der Epoche der ersten germanischen Ansiedelungen sich ausgebildet haben. Um sich hier- von zu überzeugen, braucht man nur die einzelnen Eigentümlichkeiten der römischen Gutswirtschaft oder villa mit denjenigen zu vergleichen, welche aus der Untersuchung der frühesten mittelalterlichen Urkunden und Gutsbeschreibungen im 6., 7. und in den darauf folgenden Jahrhunderten hervortreten. Nach den gründlichen Forschungen von Fustel de Coulanges liegt keine Notwendigkeit vor, bei der Ansicht zu beharren, dass der herrschende Typus der Ansiedelungen im römischen Reiche während des 4. und 5. Jahrhunderts das Gut oder die sogenannte