Marshall. Giddings. Taylor.
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dagegen unsere Kenntnis der wirtschaftlichen Störungen
durch derartige Definitionen bereichert wird, erhellt aus
dem Umstände, dafs neben der eingehenden Untersuchung
des wirtschaftlichen Gleichgewichts die Frage der Störungen
von Marshall nur gestreift wird. Wie flüchtig die ein-
schlägigen Bemerkungen über die störenden Wirkungen der
Erfindungen, der Mode und des Kredits auch sind, ist es
doch bezeichnend genug, dafs Marshall in ihnen sich ge-
nötigt sieht, blofs die zwar „gut gemeinten", aber stark
übertriebenen Klagen über die Wirkungen der wirt-
schaftlichen Störungen zurückzuweisen und das Vorhanden-
sein von den Störungen entgegenwirkenden Faktoren im
Wirtschaftsleben hervorzuheben.
Allerdings will Marshall ebensowenig, wie schon früher
Fisher und später Pareto, seine Gleichgewichtslehre für
etwas Abgeschlossenes ausgeben; im Gegenteil, alle drei
halten ihre „statische" Betrachtungsweise für unzulänglich
und stellen die Forderung einer „organischen" bezw.
„dynamischen" Behandlung des Problems. Eine weitere
terminologische Verbesserung führt der amerikanische
Soziologe Franklin Henry Giddings ein, indem er in
seinen „Principles of Sociology, an Analysis of the pheno-
mena of association and of social Organisation" (New-York
1896) darauf hinweist, „dafs uns die Gleichgewichtsgesetze
lediglich als Bewegungsgesetze bekannt sind . . . „Statik"
— bemerkt ganz richtig Giddings — „ist eine Abteilung
der Dynamik und ist nicht derselben koordiniert . . . Die
andere Abteilung der Dynamik ist die Kinetik" (S. 58).
Dieser Anregung ist es vielleicht zuzuschreiben, dals
eine „kinetische" Theorie in der Tat nicht ausgeblieben ist.
Obwohl von einem Marshallsehen Gedanken ausgehend,
überschreibt nändicli W. G. Langworthy Taylor seine
Abhandlung in der von seinem Landsmann empfohlenen
Weise: „The kinetic Theory of Economic Crises" *). Taylor
*) Veröffentlicht in den „University Studies", Lincoln Nebraska,
January 1904, vol. IV. Nr. 1.